Thema: Selbstverständlich dabei – Kinder mit Behinderungen

Veranstaltung 22.10.2019 in Berlin

Nach einer Begrüßung  wurde erwähnt dass diese Art der offenen Diskussion ein ganz neues Format ist. Es sollen die ethischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf „Behinderung“ erörtert werden. Derzeit werden Frauen dazu angehalten alle Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik wahrzunehmen. Gibt es da noch ein Recht auf Nichtwissen? Ein Leben mit Behinderung wird immer nur als leidvoll angesehen, aber ist es nicht auch eine Bereicherung der Gesellschaft? Ist die Gesellschaft wirklich damit überfordert und wie sind die Erwartungen? Wie steht es derzeit um Teilhabe und Inklusion?

Sebastian Urbanski, ein Schauspieler der das Down-Syndrom hat und im Vorstand der Lebenshilfe ist, liest aus seinem Buch „Am liebsten bin ich Hamlet“. Es sind Schilderungen aus seinem Leben, die die Zuhörer berührt haben. An Herr Urbanski richtet sich dann auch die erste Frage „ Was fordern Sie damit Inklusion selbstverständlich wird?“ Antwort „Der Bundesvorstand der Lebenshilfe fordert dass die Gesellschaft Menschen mit Down-Syndrom frei empfängt. Vielfalt leben statt nur reden. Nehmt uns auf. Wir wollen mit euch leben“

Die nächste Frage ging an Herr Jürgen Dusel. Er ist Behindertenbeauftragter der Bundesregierung. „Was kann die Gesellschaft tun?“ „ Sie sollte Vielfalt anerkennen. Sie sollte nicht rein an medizinischen Begriffen und Problemen haften bleiben. Familien mit einem behinderten Kind haben ein Ausgrenzungs- und Armutsrisiko. Im Amt werden sie eher als Bitsteller und nicht als Bürger wahrgenommen. Der Begriff der Inklusion muss demokratischer gefasst werden.“ So Dusel

Frau Koppermann vom Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik und Gynäkologin stellt heraus „Man kann verschieden beraten. Oft wird den Frauen gesagt. Wir können dies und jenes machen. Sie wollen ja ein gesundes Kind. Eher sollte man aber doch fragen. Sie sind jetzt schwanger. Geht es Ihnen gut damit Was möchten Sie über das Kind wissen?“

Dann wurde eine Frage an Herrn Prof. Peter Dabrock gerichtet, der Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist. „Wie viel Autonomie haben Frauen in dieser Situation?“ „Das Recht auf Nichtwissen wird oft nicht wahrgenommen. Behinderung ist der falsche Begriff. Die Kinder entsprechen nicht den Normalitätserwartungen. Als Antwort braucht es Beratung und Visionen. Es besteht einerseits eine Tendenz zur Inklusion, andererseits wird immer mehr Leistung gefordert. Man muss mit aller Schärfe mit der Politik gegen Ausgrenzung kämpfen.“ Als Beispiel wird hier noch die Deutsche Bahn genannt, da es immer noch viele Hindernisse für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte gibt.

Die nächste Frage richtete sich an Frau Kerstin Griese MdB und Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales. „ Was kann von Seiten der Politik getan werden?“ „ Wir wollen das Leben für die Menschen mit Behinderung besser machen. Es geht hier um Haltung. Ich habe es selbst im Bekanntenkreis erlebt. Freunde hatten eine Geburtsanzeige erst nach einem Jahr geschaltet. Ich erfuhr das eine Behinderung und damit einhergehend viele Operationen nötig waren, bis das Kind „über den Berg“ war. Schon während der Schwangerschaft wurde viel Druck zur Abtreibung aufgebaut. Es sollte ein Recht auf Beratung geben. Eine Beratung, die auch hin zu einem Leben mit Behinderung berät. Denn Vielfalt ist schöner als Einfalt.“ „Was kann man tun um die Haltung zu ändern?“ „ Man kann Mittel investieren in das Spektrum des anders sein. Werdende Eltern müssen positive Beispiele sehen. Schwierigkeiten können überwunden werden. Im SGB sollte stehen, dass alle Kindergärten inklusiv auszurichten sind. Die Gesellschaft muss ein Leben ermöglichen, ohne weitere Barrieren aufzubauen. In Entscheidungssituationen müssen die Eltern die Möglichkeit haben sich zu freuen. Es ist wichtig das man von Klein auf lernt mit Menschen mit Behinderung zusammen zu sein. Wir müssen Begegnungen schaffen. Es geht um die Umsetzung von fundamentalen Grundrechten. Familien in denen Kinder mit Behinderung leben müssen gestärkt werden. Ein Kind ist niemals eine Bürde. Es sind die Rahmenbedingungen, die geändert werden müssen.“

Prof. Dabrock betont dass es in der Medizin ein zutiefst eugenisches Denken gibt und die Gesundheitsvorsorge immer mehr zum Markt wird. Es ist ein Kampffeld ökonomischer Interessen. Immer mehr Tests kommen auf den Markt. Wenn sich die Gesellschaft von solchen Dingen leiten lässt verliert sie ihre Freiheit.

Nun dürften auch die Teilnehmer Fragen stellen. Unter anderem wurde hier auch die Forderung erhoben, die Selbsthilfe hier mehr in die Beratung einzubeziehen.

Ich konnte mich danach noch persönlich mit Prof. Dabrock austauschen und fragte ihn konkret nach dem Pränatest im Zusammenhang mit der Untersuchung der Geschlechtschromosomen. Er bestätigte mir dass der GBA zurzeit die Kostenübernahme der Krankenkassen nur für Trisomie 21 zugelassen hat. Es müsse auf jeden Fall verhindert werden, dass hier weitere Selektionen durchgeführt werden.